Trump im Weißen Haus – Was wird aus „Paris“, der globalen Agenda für nachhaltige Entwicklung, der Weltordnung?

Image: Trump Star Walk of Fame


Setzt Trump um, was er versprochen hat?

Am 20. Januar 2017 wird Donald Trump Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Wenn er auch nur einen Teil dessen wahrmacht, was er angekündigt hat, wird ein politisches Erdbeben die Koordinaten für die Umsetzung der im September 2015 verabschiedeten Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 sowie des Pariser Klimaabkommens radikal verändern. Die Weltordnung steht an einem Wendepunkt. Nun müssen die Anstrengungen, globale Kooperation zu organisieren, noch einmal massiv ausgebaut werden: die EU muss ihr internationales Profil stärken und braucht ein 100-Tage- Programm, um ihre wichtigsten Anliegen zu globaler Entwicklung nach der Wahl von Trump darzulegen; die deutsche G 20-Präsidentschaft kann dazu beitragen, Klimaschutz und die Agenda 2030 zu stärken; auf diesen Grundlagen muss der transatlantische Dialog mit der US-Regierung, aber auch zwischen den Gesellschaften, nach vorn entwickelt werden.

Setzt Trump um, was er versprochen hat? Zwischen Bangen und Hoffen

Noch vor wenigen Tagen undenkbar, nach der US-Wahl wahrscheinlich: Die USA ziehen sich aus dem Klimaschutz zurück, bereiten den Wiedereinstieg in die fossilen Energieträger vor, verweigern eine Beteiligung am Green-Climate-Fonds, der Entwicklungsländer mit 100 Milliarden US-Dollar jährlich beim Einstieg in eine klimaverträgliche Gesellschaft unterstützen soll. Im Kernteam des gewählten Präsidenten bereiten Klimaskeptiker eine Neuordnung der US-Umweltbehörde vor. Wenn der weltweit zweitgrößte Emittent seine Treibhausgase nicht reduziert, wird es sehr schwer, die Erwärmung des Planeten unter zwei Grad überhaupt noch zu halten. Damit nicht genug. Zwar verspricht der neue Präsident, sich um die abstiegsbedrohten Mittelschichten und die sozialen Ränder der Gesellschaft zu kümmern – was dringend notwendig wäre – , doch wenn dies durch Protektionismus und Investitionen in die Infrastruktur zustande käme, die ressourcen- und treibhausgasintensive Wachstumsmuster für die nächsten Dekaden zementierten, führte dieser Weg in eine absehbare Sackgasse. Was man bisher über das Wirtschafts-, Sozial- und Umweltprogramm der kommenden US-Regierung weiß, liest sich nicht gerade wie eine Umsetzungsstrategie der universellen Agenda 2030. Zudem basieren die globalen Nachhaltigkeitsziele auf der Grundidee globaler Kooperation und internationalen Interessensausgleichs – der neue US-Präsident propagiert demgegenüber „Our country – first“. Wichtig wird auch sein, wie sich die USA nun gegenüber internationalen Organisationen positionieren: UN-Entwicklungs- und Umweltorganisationen, die Weltbank, regionale Entwicklungsbanken haben sich die Umsetzung der Pariser Klimabeschlüsse und der Agenda 2030 auf ihre Fahnen geschrieben. Schwächen die USA nun die wichtigsten Säulen der Weltordnung, die nach dem Zweiten Weltkrieg von den Vereinigten Staaten selbst aufgebaut wurden? Trumps Gesellschafts- und Weltbild und die Agenda 2030 – das sieht aus wie eine Neuauflage von „Mars und Venus“. Dieses Bild stammt von Robert Kagan, der 2003 die Sicht der Regierung George W. Bushs auf die Weltpolitik und die europäische Kritik an dessen unilateraler Außenpolitik als komplett unvereinbar beschrieb – als seien die transatlantischen Partner auf zwei Planeten unterwegs: Mars und Venus. Da bleibt nur zu hoffen, dass die neue US-Regierung deutlich moderater agieren wird, als der Präsidentschaftskandidat seinen Wählern versprochen hat. Zeigen wird sich das bald – zum Beispiel im Verlauf der deutschen Präsidentschaft der G 20, die im Dezember 2016 beginnt.

Die historische Analogie – Vom Brandt-Report zur Agenda 2030: „Auf spätere Wiedervorlage bitte?“

Fünf Tage nachdem Willy Brandt am 20. Dezember 1979 sein Vorwort zum berühmten „Nord-Süd Brandt-Report“ unterschrieben hatte, dessen vollständiger Titel „Das Überleben sichern. Gemeinsame Interessen der Industrie- und Entwicklungsländer“ lautete, begann die Afghanistan-Invasion der Sowjetunion. Damit schlossen sich die Türen für mehr Kooperation zu Überlebensfragen der Menschheit. Der Kalte Krieg wurde noch frostiger. Thatcher wurde 1979 Premierministerin (und blieb dies bis 1990). Ronald Reagan übernahm zwischen 1981 und 1989 das Weiße Haus. Der Brandt-Report reflektierte eine globale Diskussion über die Notwendigkeit einer Art Weltinnenpolitik, doch er erschien in ungünstigen Zeiten. Die Ideen des Brandt-Reports erlebten erst eine Dekade später eine Renaissance, nach dem Fall der Berliner Mauer, am Ende der Thatcher-/ Reagan-Ära. Die großen Weltkonferenzen der 1990er Jahre, die eine gemeinsame, globale Zukunftsagenda der Nationalstaaten schaffen sollten, der Rio-Gipfel zu Umwelt und Entwicklung von 1992, waren inspiriert vom Geist des Brandt-Reports. Drohen der Agenda 2030 und dem Pariser Klimaabkommen ähnliche Schicksale? Beide komprimieren die weltweit gewachsene Erkenntnis, dass globale Kooperation und inklusive Entwicklung in den Grenzen des Erdsystems Voraussetzungen für nachhaltigen Wohlstand von bald neun Milliarden Menschen sowie für eine friedliche Weltordnung sind. Doch die Feierlichkeiten zu „Paris“ und der „Agenda 2030“ sind noch nicht ganz abgeschlossen, da werden ihre Grundpfeiler von erstarkenden neo-nationalistisch, populistisch, autoritären Bewegungen und Regierungen, von Putin, über Orban und Trump, radikal in Frage gestellt. Wiederholt sich die Geschichte, als Farce oder Tragödie? Kommen die Agenda 2030 und das Klimaankommen erst in 2023 auf Wiedervorlage – nach dem Ende der Trump-Ära? Die Kosten dafür wären hoch. Wenn der globale Klimaschutz massiv ausgebremst würde, wäre eine Stabilisierung der globalen Erwärmung um zwei Grad Celsius nicht mehr möglich – die Folgen des Klimawandels würden zu internationalen Sicherheitsrisiken. Eine auf Ausgrenzung, enggeführten Eigennutz, Polarisierung und Schwächung gemeinsamer Institutionen ausgerichtete Innen- und Außenpolitik der noch immer wichtigsten Nation der Erde würde zudem nationale und internationale Konflikte und Instabilitäten provozieren. Was wäre zu tun, um zu verhindern, dass erst Konfrontation und globale Krisen den Weg zu mehr globaler Kooperation ebnen?

Die westliche Weltordnung unter Druck  – durch Neonationalismus und autoritäre Renaissancen im Westen

Die Diskussion über das Entstehen einer post-westlichen Weltordnung ist eng verbunden mit dem Aufstieg der Schwellenländer und deren Strategien und Visionen für die globale Ordnung des 21. Jahrhunderts. Die Überraschung besteht darin, dass nun die Basisstrukturen des multilateralen Systems durch rechtspopulistische Bewegungen aus dem Westen selbst in Frage gestellt werden. Auf der Tagesordnung stehen die Diskreditierung internationaler Organisationen, von der Europäischen Union (EU), über die Welthandelsorganisation bis zu den Vereinten Nationen, die Absage an das Konzept gemeinamer Interessen durch „Our Country First-Perspektiven“ und nicht zuletzt das Infragestellen von offenen, vielfältigen Gesellschaften als Grundlage globaler Kooperation. Die Profiteure eines „zerfledderten Westens“ sind schnell ausgemacht: nationalistische Kräfte in China und Russland. Das internationale System steht also an einem Kipp-Punkt. Neue Allianzen aus Akteuren aus Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern sind notwendig, um die Grundlagen für eine faire, auf Interessenausgleich, einer gemeinsamen Kooperationskultur und Freiheit basierenden Weltordnung zu schaffen, ohne die eine Welt globaler Interdependenzen sich in Konflikten, Chaos und eskalierenden Unsicherheiten auflöst.

Europas Verantwortung: Hoffnungen und Sorgen

Hier kommt das worst case-Szenario: Marine Le Pen wird 2017 Präsidentin, Frankreich verlässt die EU, die daraufhin implodiert und zerfällt. Trump und Le Pen werden zu Kristallisationskernen rechtspopulistischer Bewegungen im Westen – und darüber hinaus. Das wäre das vorläufige Ende der Weltordnung, wie wir sie bisher kennen. Noch vor wenigen Wochen ein abenteuerliches Szenario – nun nicht mehr völlig auszuschließen. Das optimistische Szenario: die Trump-Wahl wird zum Weckruf für Europa. Europa bekräftigt seine Wertebasis: Menschenrechte, Demokratie, Multilateralismus, Orientierung auf globale Gemeinschaftsgüter. Die Agenda 2030 und das Paris-Abkommen könnten Ausgangspunkte eines Modernisierungs-, Gerechtigkeits- und Friedensprojektes nach Innen und Außen sein, um für Europa und das internationale System Zukunftsperspektiven zu schaffen: soziale Ungleichheiten abbauen, Beschäftigungsperspektiven für die junge Generation schaffen, Dekarbonisierung der europäischen Energiesysteme vorantreiben, Steuervermeidungsstrategien von wohlhabenden Bürger (Panama Papers) und weltweit agierenden Unternehmen (Profit-Shiftung) auf den internationalen Finanzmärkten bekämpfen, Modernisierungspakt mit Afrika anschieben. Europa könnte, ähnlich wie der neue US-Präsident, eine 100-Tage-Strategie entwickeln, um internationale Partner dafür zu gewinnen und um mit der Trump-Regierung proaktiv ins Gespräch zu kommen. Die deutsche G 20-Präsidentschaft in 2017 gewinnt unter diesen Bedingungen eine ganz neue Bedeutung: Gesprächskanäle zur neuen US-Administration aufbauen, Gemeinsamkeiten eruieren, das Paris-Abkommen und die Agenda 2030 so weit wie möglich in der G 20 verankern. Doch gefragt sind nicht nur die Regierungen, denn 30 Jahre nach dem Brandt-Report, nach Reagan und Thatcher, sind nicht nur die Ökonomien, sondern auch die Gesellschaften viel enger verwoben. Entscheidend wird deshalb sein, wie zivilgesellschaftliche Gruppen, Kulturschaffende, Wissenschaftsnetzwerke, auch Unternehmen auf den Trump-Schock reagieren. Vielleicht gelingt, was auch nach dem Scheitern des Klimagipfels von Kopenhagen in 2009 in Gang kam: eine Welle internationaler Zusammenarbeit, die vor allem aus den Gesellschaften und Städten, internationalen Organisationen, auch aus Teilen der Wirtschaft, heraus entstand und letztlich zum Pariser Klimaabkommen führte. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts hängt die Zukunft der Weltordnung nicht mehr nur vom US-Präsidenten, seiner Regierung und der Staatengemeinschaft ab.

Image. Dirk Messner

Dirk Messner ist Direktor des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE) und Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Global Umweltveränderungen (WBGU) / Dirk Messner is Director of the German Development Institute / Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE) and Co-Chair of the Scientific Advisory Board of the Federal Government Global Environmental Change (WBGU)

2 comments

  1. Pingback: Postfaktische Entwicklungspolitik - International Development Blog

  2. Thomas L Brewer - Antworten

    Thanks very much for your insightful comments, including the reference to the G20 meeting in Germany in July. I think that the G20 meeting will be a landmark event in international economic relations – when it will become clear that Germany and China have risen to replace the US, which is already clearly on a downward path since 8 November. Many of us in the US are counting on Germany to continue on its upward leadership trajectory, including Chancellor Merkel’s recent statement about defending democratic values.

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