Globale Gesundheit und die G20: Endlich Dauerthema oder doch nur Eintagsfliege?

Image: Blutproben

Globalisierung macht Gesundheit zum Thema aller

Unter der diesjährigen G20-Präsidentschaft Deutschlands stand das Thema globale Gesundheit prominent auf der Agenda und erstmals trafen sich im Vorfeld die Gesundheitsminister der beteiligten Staaten. Die Entwicklungen und Ergebnisse des G20-Gipfels weisen in die richtige Richtung, doch angesichts der großen Herausforderungen bei der globalen Gesundheit muss das Thema weiterhin besondere Aufmerksamkeit erhalten und es müssen konkreten Zusagen gemacht werden.

Globale Gesundheit erstmals prominent auf der G20-Agenda

Am 1. Dezember 2016 hat Deutschland die Präsidentschaft der G20 übernommen. Im Rahmen ihres G20-Vorsitzes setzte sich die Bundesregierung erfolgreich dafür ein, dass globale Gesundheit erstmalig prominent auf der Agenda stand, mit Fokus auf Gesundheitssystemstärkung, globales Gesundheitskrisenmanagement und antimikrobielle Resistenzen (AMR).

In der Zivilgesellschaft ist die G20 umstritten, da sie ein informelles Gremium ohne demokratische Legitimation ist. Die Deutsche Stiftung Weltbevölkerung (DSW) hat sich entschieden, den G20-Prozess aktiv zu begleiten, unter anderem, weil die Staatengruppe aus Industrie- und Schwellenländern eine besondere Brückenfunktion innehat. Somit kann sie beim globalen Agenda-Setting und als Initiator globaler Initiativen eine wichtige Rolle spielen. Gemeinsames Handeln der Zwanzig hat das Potenzial, wesentliche politische Veränderungen zu bewirken.

Wir brauchen eine nachhaltige G20-Zusammenarbeit für globale Gesundheit

Die Beteiligung der internationalen Zivilgesellschaft wurde vor allem über den Civil20-Prozess (C20) gestaltet. Ein Kernanliegen der C20-Arbeitsgruppe zu globaler Gesundheit war es dabei, dass globale Gesundheit ein fest auf der G20-Agenda verankertes Thema wird.

Im Kontext der G20-Diskussionen zu AMR hat die Zivilgesellschaft Tuberkulose (TB) in den Fokus gerückt. Die Medikamente gegen TB sind nur teilweise wirksam, die Behandlung ist langwierig und häufig mit schweren Nebenwirkungen verbunden. Diese Missstände sind beispielhaft für nahezu alle Armutskrankheiten und resultieren unter anderem aus mangelnden Investitionen in Forschung & Entwicklung (F&E). Zu den Armutskrankheiten zählen neben TB auch HIV und Aids, Malaria sowie zahlreiche vernachlässigte tropische Krankheiten (Neglected Tropical Diseases, NTDs).

Im Einklang mit dem Kernprinzip der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung „Leave no one behind“, wurde die G20 aufgerufen, die am meisten marginalisierten und gefährdeten Bevölkerungsgruppen, insbesondere Mädchen und Frauen, stärker in den Fokus zu rücken. Dazu müssen auch die Kernthemen wie Gleichberechtigung und sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte angegangen werden.

Eine vielversprechende Gesundheitsministererklärung

Die durchaus solide Erklärung der G20-GesundheitsministerInnen, anlässlich der Fachkonferenz in Berlin, bestätigt, dass globale Gesundheit auch zukünftig auf der G20-Agenda bleibt. Wenngleich dies positiv zu bewerten ist, wäre es darüber hinaus auch wichtig, dass das Thema globale Gesundheit zusätzlich in den sogenannten Development Track der G20 aufgenommen wird.

Um das Gesundheitskrisenmanagement zu verbessern, setzten sich die MinisterInnen für mehr F&E ein, um neue und wirksamere Medikamente, Impfstoffe, Diagnostika und medizinische Ausrüstung zu entwickeln. Sie sprachen sich zudem für eine nachhaltige Finanzierung und internationale Koordination der F&E aus. AMR wird von den MinisterInnen als Herausforderung und Bedrohung hervorgehoben und sie unterstreichen die Notwendigkeit, die Forschungspipeline für TB und andere Erreger zu reaktivieren. Dies soll durch Anreizmechanismen geschehen, die verhindern, dass F&E ausschließlich von hohen Preisen und Verkaufsvolumen abhängig sind. Die DSW begrüßt, dass hierbei auf neue, innovative Anreizmechanismen gesetzt wird und der Erfolg von Produktentwicklungspartnerschaften (PDPs) anerkannt wird. Um die lebensrettende Arbeit der PDPs fortsetzen und ausbauen zu können, bedarf es allerdings auch zusätzlicher Finanzierung. Zudem sollte die G20 ihre Unterstützung für Forschung auf alle Armutskrankheiten ausweiten.

Die G20 befürwortet globale öffentlich-private Partnerschaften, wie den Globalen Fonds für die Bekämpfung von Aids, TB und Malaria (GF) und die Globale Allianz für Impfstoffe und Immunisierung (Gavi). Als Antwort auf den zunehmenden Rückzug der Vereinigten Staaten aus derartigen Initiativen hätten die restlichen Mitglieder der G20 jedoch schon jetzt mehr Verantwortung übernehmen und zusätzliche finanzielle Zusagen machen müssen.

Die Bekämpfung von Armutskrankheiten ist keinesfalls altruistisch

Auch die G20 ist von Armutskrankheiten betroffen, und dies zunehmend im Zeitalter des globalen Warenaustauschs und Reisens. Unter anderem durch Klimaveränderungen und die damit verbundene Wanderung von Insekten sind Krankheiten nicht länger geografisch begrenzt. Schätzungen zufolge liegt inzwischen die größte von NTDs ausgehende Krankheitslast sogar in den G20 Staaten. Somit würde die G20 keinesfalls nur altruistisch handeln, wenn sie sich neben AMR/TB mit gleichem Engagement den übrigen Armutskrankheiten widmete.

G20-Gipfel-Abschlussdokument: Gute Vorsätze ohne konkrete Zusagen

Der Gipfel der Staats- und Regierungschefs und deren Abschlusserklärung markierten den Höhepunkt der deutschen G20-Präsidentschaft. Die DSW freut sich darüber, dass dem Thema globale Gesundheit im Abschlussdokument angemessen viel Raum zuteilwurde. Inhaltlich bleiben die Ergebnisse allerdings hinter den Erwartungen der Zivilgesellschaft zurück.

Die Staats- und Regierungschefs heben richtigerweise die Bedeutung von Gesundheitssystem-stärkung, globalem Gesundheitskrisenmanagement und AMR hervor, aber ohne sich für konkrete Maßnahmen zu deren Förderung zu verpflichten. Dies wird insbesondere im F&E-Bereich deutlich, wo vielfach die Notwendigkeit zur Förderung von F&E beschworen wird, allerdings keine konkreten Verpflichtungen eingegangen werden. Zwar wird zu einer neuen internationalen Plattform für die Zusammenarbeit im Bereich antimikrobielle F&E aufgerufen, aber das weitere Vorgehen ist vage. Die DSW wertet die Erwähnung von TB im Kontext von F&E-Förderung als einen wichtigen Erfolg, vermisst aber ein klares Bekenntnis der G20 dazu, globale Gesundheit in der Gipfel-Agenda zu verankern. Gemeinsam mit ihren Partnern wird sich die Deutsche Stiftung Weltbevölkerung daher auch weiterhin dafür einsetzen, dass sich globale Gesundheit zum G20-Dauerthema entwickelt und nicht als Eintagsfliege endet.

Was wir der argentinischen G20-Präsidentschaft mit auf den Weg geben möchten

Argentinien übernimmt am 1. Dezember 2017 die G20-Präsidentschaft und kann – wie auch die Bundesregierung als Vorgänger – Einfluss auf die Gestaltung der G20-Agenda nehmen. Beim G20-Gipfel im kommenden Jahr in Buenos Aires sollten sich beide Regierungen daher für Folgendes einsetzen:

  • Aufnahme des Themas globale Gesundheit im G20 Development Track
  • Fortlaufende Zusammenarbeit zu AMR/TB, insbesondere im F&E-Bereich und dessen Ausweitung auf die übrigen Armutskrankheiten
  • Konkrete Unterstützung für die internationale Plattform zur Zusammenarbeit im Bereich antimikrobielle F&E sowie den Ausbau der Finanzierung von PDPs.
  • Stärkeres politisches und finanzielles Engagement für den GF und Gavi.
  • Diskussion von sexueller und reproduktiver Gesundheit und Rechte als Grundlage für nachhaltige Entwicklung sowie das Wohlbefinden und Empowerment von Mädchen und Frauen.
Image: Oliver Buchholz

Oliver Buchholz ist entwicklungspolitischer Referent bei der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung (DSW) mit dem Schwerpunkt globale Gesundheit und Co-Sprecher der AG Gesundheit des Verbands Entwicklungspolitik und humanitäre Hilfe (VENRO).

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