Plädoyer für eine Innovationsoffensive in Afrika

Photo: Balanced Balls

Wissenschaft, Technologie und Innovation (WTI) gelten im 21. Jahrhundert global als die treibenden Kräfte für nachhaltige Entwicklung und damit für die Zukunftsfähigkeit von Gesellschaften. Sie haben grundsätzlich das Potenzial, alle drei Dimensionen von nachhaltiger Entwicklung – die ökonomische, die ökologische und die soziale Dimension – zu befördern. Ein leistungsfähiges WTI-System erfordert jedoch effiziente Institutionen und Unternehmen sowie hochqualifizierte Fachkräfte auf allen Ebenen. Und genau hier beginnt für viele Länder das Problem.

Unterschiede in der Innovationsfähigkeit

Dieser Situation Rechnung tragend, haben auch die Vereinten Nationen auf die globale Bedeutung der Innovationsförderung aufmerksam gemacht. In SDG 9 (Ziele für nachhaltige Entwicklung, SDG) der Agenda 2030 postulieren sie die Förderung von Innovation und Technologie, von Forschung und Entwicklung im öffentlichen und privaten Sektor sowie den Zugang zu Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) und Internet speziell in Entwicklungsländern.

Die Entwicklung von Innovationen war lange Zeit das Privileg der reichen OECD-Staaten. Erst innerhalb der letzten Dekade gelang es auch einer Reihe von Schwellenländern, ihre Innovationskapazitäten signifikant auszubauen. In den meisten Entwicklungsländern blieben dagegen vergleichbare Fortschritte bislang aus. Dadurch hat sich die sog. „Innovation-Divide“, d.h. die Lücke zwischen der Innovationsfähigkeit von entwickelten und sich entwickelnden Ländern kontinuierlich vergrößert. Dies wird durch den Global Innovation Index eindrücklich belegt. Auch im aktuellen Index 2017 finden sich auf den ersten 30 Plätzen fast ausschließlich OECD-Staaten. Lediglich Singapur (Platz 6), Südkorea (Platz 11), Hongkong (Platz 14) und China (Platz 22) ist inzwischen der Aufstieg in diese Gruppe gelungen. Die letzten 30 Plätze belegen dagegen ausschließlich Entwicklungsländer, darunter sehr viele afrikanische Staaten. Ein enormes Innovationspotential liegt also brach, weil es an innovationsfreundlichen Rahmenbedingungen und den notwendigen Investitionen fehlt.

Eine Innovationsoffensive in Subsahara-Afrika (SSA)

Auch in Subsahara-Afrika ist man seit Jahrzehnten darum bemüht, nachhaltige Innovationsprozesse in Gang zu setzen. Obwohl rund zwei Drittel der Länder Innovationspolitiken und –strategien formuliert haben, sind die wenigsten bisher in der Lage, diese umzusetzen. Den zuständigen Institutionen fehlt es an den nötigen Voraussetzungen wie Know-How, Finanz- und Personalausstattung. Auch arbeiten sie häufig isoliert von anderen staatlichen Stellen und sind nur schwach mit dem Bildungs- und Forschungsbereich sowie der Privatwirtschaft vernetzt.

Aus diesem Grund startete die Afrikanische Union (AU) Im Juli 2014 eine neue Initiative, die African Union Science, Technology and Innovation Strategy for Africa 2024 (Wissenschafts-, Technologie- und Innovationsstrategie für Afrika 2024). Ziel ist es, den Übergang Afrikas zu einer wissensbasierten Ökonomie zu beschleunigen und günstigere Rahmenbedingungen für Forschung, Technologie und Innovation zu schaffen. Unterstützt wird diese Initiative durch die UNESCO im Rahmen des sog. AECID-Projektes. Von deutscher Seite leisten vor allem das Bundesbildungs- und das Bundesentwicklungsministerium (BMZ) sowie der deutsche Privatsektor wichtige Beiträge.

Handlungspriorität besteht in folgenden vier Bereichen:

  • Bildungs- und Forschungsinfrastrukturen ausbauen   

Investitionen in tertiäre Bildung sowie Forschung & Entwicklung müssen deutlich erhöht werden, um auf ein global vergleichbares Niveau zu kommen. Innovative Bereiche wie IKT, Biotechnologie etc. sollten dabei Priorität haben. Investitionen aus dem (einheimischen) Privatsektor können durch gezielte Anreize und Öffentlich-Private-Partnerschaften (PPP) deutlich erhöht werden. Internationale Forschungskooperationen sind weiter auszubauen.

  • Berufliche und technische Ausbildung verbessern

Die berufliche Bildung sollte praxisorientierter gestaltet und stärker am Bedarf des Arbeitsmarktes ausgerichtet werden. Vor allem Fachkräfte für technische und innovations-orientierte Berufe müssen in weit höherem Maße ausgebildet werden, damit sie auch den kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs) und Start-ups in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen.

  • Unternehmertum und Innovation fördern

Gerade KMUs und Start-ups spielen auch in Afrika bei disruptiven Innovationen eine sehr wichtige Rolle. Sie benötigen gezielte Förderung durch Bereitstellung von Risikokapital und qualifizierten Fachkräften, Zugang zu Märkten und Vernetzung mit Forschungs- und Technologieeinrichtungen. Dafür hat sich ihre Einbindung in sog. „Innovations-Hubs“ als besonders wirksamer Ansatz erwiesen. Das „Silicon Savannah“ in Kenia und das „Yaba-Start-up“-Zentrum in Nigeria gelten als besonders erfolgreiche Hubs und nachahmenswerte Modelle. Stärker forciert werden sollten Unternehmensgründungen in den hoch innovativen Sektoren wie Finanzdienstleistungen, Online-Handel, digitale Landwirtschaft und digitales Gesundheitswesen.

  • Innovationsfreundliche Rahmenbedingungen schaffen

In vielen afrikanischen Staaten muss dem Auf- bzw. Ausbau der nationalen Innovationssysteme höhere Priorität zukommen. Die Bereitstellung des notwendigen Know-hows, Budgets und Personals sind erste Voraussetzung dafür. Der Privatsektor sollte bei der Formulierung von Innovationspolitiken, sowie der strategischen Ausrichtung von Forschung, tertiärer Bildung und beruflicher Bildung stärker eingebunden werden. Ferner sind der Patent- und Markenschutz zu verbessern.

Kenia zeigt, wie es geht

Der oben erwähnte Global Innovation Index gibt aber auch Anlass für eine optimistischere Perspektive: Seit 2012 ist Afrika in der Gruppe der sog. Innovation Achievers stärker vertreten als jede andere Region der Welt. Diese Länder weisen signifikant höhere Aktivitäten im Bereich Innovation aus als ihr Entwicklungsniveau erwarten ließe. 2017 gehörten folgende afrikanische Länder zu dieser Gruppe: Kenia, Ruanda, Uganda, Mosambik, Malawi, Senegal, Madagaskar, Burundi, Tansania. Kenia ist der Spitzenreiter – seit 2011 werden die Bewertungen des Landes jährlich besser. In der nationalen Entwicklungsstrategie „Kenya’s Vision 2030” ist WTI eine von acht prioritären Sektoren und schon heute ist das Land zum „Silicon Savanna“ avanciert.

Image: Gabriele Reitmeier

Gabriele Reitmeier ist Politikwissenschaftlerin und seit 2015 Referentin für Entwicklungspolitik der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (FNF).

1 comment

  1. Prof.Dr. Hans F ILLY - Antworten

    Es ist immer gut, an eine bessere Zukunft zu glauben, auch und gerade für Afrika. Aber gibt es auch realistische, d.h. empirisch begründbare , Grundlagen für diesen Optimismus ? Muss man sich nicht zuerst die folgende simple Frage stellen: Was ist denn in fast 6o Jahren EZ mit Afrika schief gelaufen und was haben wir falsch gemacht ? Sind wir nicht alle der großen Illusion verfallen, dass die in Afrika befindlichen Machteliten auch „Entwicklung“ für ihre Bevölkerungen wollen ? Das Gegenteil ist offensichtlich der Fall: Diese Potentaten sind nur daran interessiert, sich um jeden Preis zu bereichern, vgl. im Internet das Ranking der afrikanischen „Milliardär-Präsidenten“. Die deutschen EZ-Institutionen weigern sich, diese Realität auch nur zur Kenntnis zu nehmen; sie fordern unver.drossen immer mehr Geld von uns Steuerzahlern.. Ist dies weiter ethisch vertretbar ?

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