Kooperation mit Afrika auf neue Beine stellen

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Von der Agrargesellschaft hin zur Marktgesellschaft

Der afrikanische Markt wird selten als Chance für internationale Kooperation diskutiert. Solange Europa und die USA ihre Landwirtschaft subventionieren, haben afrikanische Bauern keinen Platz auf den europäischen Märkten. Eine stabile Mittelschicht kann dadurch kaum entstehen. Einen Beitrag zu einer Trendwende könnten Deutschland und Europa leisten, wenn ökonomische Maßnahmen sowie technologische und Forschungskooperationen Prozesse endogener Entwicklung unterstützen.

„The Missing Middle“

Es wäre gut, wenn ein bisschen mehr Wirtschaft in die Debatte um die Kooperation mit Afrika eingebracht würde. Nur wer industriell fertigt, kann auch Jobs schaffen, nur wer eine moderne Landwirtschaft aufbaut, die mit der Nahrungsmittelindustrie verbunden ist, kann die erforderliche endogene Dynamik in Gang setzen. Dies ist der erste Merkpunkt.

Ein zweiter Aspekt ist von Relevanz. Viele Analysen zeigen, dass große und mittlere formelle Unternehmen in Afrika eher die Ausnahme sind. Es gibt kaum einen Mittelstand, weshalb oft von „The Missing Middle“ gesprochen wird. Die Zahl der mittelständischen Unternehmen ist sehr gering.

Ohne Marktintegration kein Mittelstand

Ein dritter Punkt ist, dass zu spät kommende Industrialisierer – wie die meisten subsaharischen Länder – vor einem Problem stehen. Industrialisierung kann nicht mehr als Allheilmittel für Wachstum und Beschäftigung angesehen werden. Ärmere Länder können sich angesichts des globalen Wettbewerbs, des schnellen technologischen Wandels und der globalen Nachfrageverschiebungen hin zu Dienstleistungen kaum noch erfolgreich industrialisieren. Nur ein wachsender und konkurrenzfähiger Mittelstand kann diese Hürde überwinden. Ein Hindernis für das Wirtschaftswachstum ist die politische Ökonomie der Favorisierung großer Unternehmen durch die Staatseliten.

Ein vierter gravierender Faktor ist die mangelnde Marktintegration. Es wird häufig Staats- und Marktversagen (je nach ideologischer Zuordnung) beobachtet. Das Problem ist jedoch die mangelnde Marktintegration der Wirtschaftssubjekte. Dies sind vor allem die Bauern und die ländlichen Unternehmen, die weitgehend kleinräumig agieren müssen. Ihnen fehlen die Verbindungen zu den Konsumenten in den Städten, und eine Integration in den Wettbewerb.

Keine Chance: afrikanische Länder als „Industriekerne“

Immer wieder wird unterschätzt, wie bedeutsam der Zusammenhang zwischen Produktion, Handel und Marktöffnung ist. Dies ist ein fünfter Punkt. Der Handel innerhalb Afrikas ist zwar gestiegen und hat einen Anteil von 15% des Gesamthandels. Hohe Zollbarrieren aber auch die mangelhaften Straßen- und Kommunikationsverbindungen zwischen den Ländern behindern den Austausch untereinander. Die Zollbarrieren nach Europa sind geringer, aber hier behindern nicht-tarifäre Handelshemmnisse den Zugang zu den europäischen Märkten. Zusätzlich verzerrt die hoch subventionierte Landwirtschaft der Europäischen Union den Wettbewerb zuungunsten Afrikas. So bleiben afrikanische Nahrungsmittelproduzenten fast ohne Exportchance. Wollen afrikanische Unternehmen ihre Exportchancen wahrnehmen, dann müssen sie selbst wettbewerbsfähiger werden und sich dem globalen Technologieniveau anpassen.

Sechstens: Die meisten afrikanischen Produzenten haben fast keine Chance im globalen Produktzyklus einfacher Konsumgüter. In Europa werden heute kaum noch T-Shirts produziert, die Produktion verlagerte sich nach Taiwan. Später nach China und anschließend nach Bangladesch und Vietnam. Afrika wird aus verschiedenen Gründen marginalisiert bleiben. Nicht nur weil afrikanische Unternehmen zu klein und unproduktiv sind, zu teuer produzieren. Sie selbst haben für solche einfachen Tätigkeiten zu wenig ausgebildete Arbeitskräfte zur Verfügung. Die Hoffnung, dass Investoren aufgrund steigender Lohnstückkosten in China, der Türkei u.a. nun viele afrikanische Länder zu „Industriekernen“ ausbauen, ist daher trügerisch.

Dennoch…

Es gibt Anzeichen dafür, dass es in Afrika einen Wandel von der Agrargesellschaft hin zu Marktgesellschaften mit Industrialisierung und moderner Landwirtschaft geben könnte. Afrika verstädtert zunehmend. In den Städten entstehen wachsende Konsummärkte. Städte mit wachsenden Mittelschichten werden zu “urban hubs” mit einem wachsenden Mittelstand und moderner Industrie.

(K)Ein Marshallplan für Afrika?

Angesichts der großen Herausforderungen fragt man sich, wo eine neue deutsche Afrikapolitik ansetzen sollte.

  1. Sicherheit ist in Afrika eine Voraussetzung für Entwicklung. Nur wenn der Kampf gegen den Terrorismus erfolgreich ist, wenn die Konflikte zwischen Ländern und die sozialen, politischen und wirtschaftlichen Krisen in den Ländern eingedämmt werden und die Menschen sich sicherer fühlen, werden sie zu Hause bleiben und ihre Zukunft auch dort sehen. Für deutsche Politik heißt dies vor allem, die afrikanischen Sicherheitsinstitutionen und -agenden zu unterstützen.
  2. Deutschland sollte die europäische Handelskooperation neu denken und diese in engem Zusammenhang mit der europäischen Landwirtschaftspolitik betrachten. Es ist richtig, sich für faire Handelsbeziehungen einzusetzen, wie Minister Müller es tut. Solange Europa und die USA ihre Landwirtschaft so extrem subventionieren, haben afrikanische Bauern keine Chance auf den europäischen Märkten, abgesehen von den Produkten, die in Europa nicht produziert werden.
  3. Die Überlegungen zu einem Marshallplan für Afrika sind nicht sinnvoll. (i) Zum einen sind die Bedingungen in Afrika dafür nicht vorhanden. (ii) Afrikanische Führer freuen sich natürlich über einen vermehrten Zufluss von Geldern. Aber alle Großprojekte sind in Afrika gescheitert, weil die Kompetenz für solche Großprojekte nicht vorhanden war. Viele Projekte dienten als Quelle zur Bereicherung der politischen Eliten. (iii) Großprojekte haben viele Nebenwirkungen (Umweltschäden, Landenteignung etc.) und begünstigen große Investoren. Der Marshall-Plan ist teuer, belastet die Steuerzahler und gibt falsche Anreize.
  4. Deutschlands Unternehmen benötigen keine Subventionen für ihre Investitionen in Afrika. Sie benötigen lediglich verbesserte Hermeskonditionen. Die deutsche Industrie ist stark, Großunternehmen und der deutsche Mittelstand produzieren in aller Welt und sind erfolgreich. Es gibt gute Gründe, weshalb deutsche Unternehmen (immerhin 800) sich in Afrika zurück halten. Der afrikanische Markt ist klein, politisch ist es oft unruhig. Wenn deutsche Unternehmen Wachstumschancen sehen, werden sie investieren.
  5. Einen Beitrag zu einer Trendwende könnte Deutschland leisten, wenn deutsches Engagement den Ausbau der Infrastruktur (Straßen, Häfen) und den Zugang zu Elektrizität und Wasser für alle stärker unterstützt als bisher. Afrikanische Regierungen haben viele Pläne zum Ausbau der Infrastruktur. Ihr Ausbau schafft berufliche Perspektiven für die wachsenden Bevölkerungen, sie fördert den Informationsaustausch und den Wettbewerb, ist integrativer Bestandteil zunehmender Urbanisierung und fördert den friedlichen, regionalen Austausch. Eine funktionierende Infrastruktur ist darüber hinaus Voraussetzung für die Schaffung intra-afrikanischer Wertschöpfungsketten und für die Einbindung afrikanischer Unternehmen in globalen Wertschöpfungsketten.

Kooperation, aber wie?

Es ist die Aufgabe der Staaten Afrikas und ihrer Führungseliten, Entwicklung herbeizuführen. Europa kann durch die o.g. Maßnahmen sowie durch technologische und Forschungskooperation Prozesse endogener Entwicklung unterstützen und damit sich vom alten neo-post-kolonialen Modell Abschied nehmen.

Image: Robert Kappel

Robert Kappel is President Emeritus and senior researcher at GIGA German Institute of Global and Area Studies, Hamburg. / Robert Kappel ist Senior Researcher und Präsident Emeritus am GIGA German Institute of Global and Area Studies in Hamburg. Seine wissenschaftlichen Forschungen befassen sich mit globalen Machtverschiebungen, Entwicklungstheorie /-ökonomie, Afrikas wirtschaftliche und politische Entwicklungen und Dynamik von Klein- und Mittelunternehmen.

4 comments

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