Deutschland im CDI 2016: Gut ist nicht gut genug

Image: Rainbow

Nachhaltigkeit von globaler und fairer Politik

Der Commitment to Development Index (CDI), welcher vom Center for Global Development (CDG) seit 2003 jährlich veröffentlicht wird, bewertet 27 der reichsten Länder hinsichtlich ihres Engagements für nachhaltige und faire Politik gegenüber ärmeren Ländern. Über die Gründe für das mittelmäßige Abschneiden Deutschlands im CDI 2016 und was die Finnen so viel besser machen.

 

Wie die deutsche Politik nachhaltiger, kohärenter und fairer werden kann

Im Einklang mit der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung und den Sustainable Development Goals (SDG) geht der CDI verschiedenen Politikfeldern auf den Grund. So evaluiert das CDI-Team institutionelle Verpflichtungen, Policies und aktuelle Outcomes von staatlichem Handeln nicht nur im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit, sondern auch in den Bereichen Sicherheitspolitik, Umwelt, Finanzpolitik, Handelspolitik, Migrationspolitik und Technologie.

Vom nachhaltigen Norden lernen

Deutschland rangiert im aktuellsten CDI nur im Mittelfeld (Rang 15). Der CDI wird angeführt von einem nordischen Trio: Spitzenreiter in nachhaltiger und entwicklungsfreundlicher Politik ist Finnland, gefolgt von Dänemark und Schweden. Frankreich klassiert sich auf Rang 4 und Portugal komplettiert die Top 5. Dem CDG geht es mit dem CDI aber nicht darum, mit dem Finger auf bestimmte Staaten zu zeigen oder ein «naming und shaming» zu betreiben, sondern es will zu Diskussionen anregen und gegenseitige Lernprozesse ermöglichen. Im Folgenden wollen wir anhand von zwei Politikfeldern diskutieren, wo Deutschland noch einiges vom Spitzenreiter Finnland lernen kann, wo umgekehrt aber auch Finnland sich von deutscher Politik inspirieren lassen könnte. Die folgenden zwei Grafiken zeigen auf, wo Deutschland gegenüber Finnland Defizite, aber auch Stärken aufweist.

Obenstehende Graphiken verdeutlichen die Stärken und Schwächen Deutschlands in den einzelnen Politikfeldern (farbige Balken) sowie insgesamt (schwarzer Balken) im Direktvergleich mit Finnland. Die Sterne zeigen uns die führenden Staaten in den jeweiligen Politikfeldern auf, und die Position der Sterne verdeutlicht, wieviel Potential für eine bessere Politik im Vergleich zu den Spitzenreitern und Vorbildern noch besteht (Abstand zwischen den Balken und den Sternen).

Deutschlands verhältnismäßig schwächste Politikfelder sind die Finanzpolitik (Rang 25 von 27) und die Sicherheitspolitik (Rang 22 von 27), seine stärksten die Migrationspolitik (Rang 6 von 27) und die Umweltpolitik (Rang 9 von 27).

Deutschlands zwiespältige Offenheit: Migrationspolitik vs. Finanzplatz

Die deutsche Offenheit gegenüber Migranten als positive Vision

Wenig überraschend hat Deutschland im Bereich der Migration eine Vorbildfunktion, von welcher sich viele andere CDI-Staaten inspirieren lassen könnten. Gerade Gesamtsieger Finnland, welcher mit der Migrationspolitik sein schlechtestes Politikfeld aufweist und mit Rang 16 nur im hinteren Mittelfeld rangiert, kann von Deutschland einiges lernen. Spätestens seit dem Sommer 2015 ist die pragmatische, humanitäre deutsche Migrationspolitik weltweit bekannt. Unsere Zahlen für den CDI 2016, welcher Deutschland im Bereich der Migrationspolitik auf Rang sechs sieht, stammen von 2014 und reflektieren diesen kurzfristigen, großen Zustrom von Menschen aus dem Nahen und Mittleren Osten vom Sommer 2015 jedoch noch nicht.

Deutschland verdient Lob für die Ausgestaltung seiner Integrationspolitik. Diese reflektieren wir durch die Inklusion des MIPEX Index, welcher die Ausgestaltung der Rechte von Migranten und damit die Integrationsfreundlichkeit verschiedener Staaten bewertet. Auch wenn die deutsche Integrationspolitik noch nicht ganz zu den freundlichsten gehört (Schweden und Portugal nehmen einen Spitzenplatz ein), hat sie sich im Gegensatz zu vielen europäischen Ländern, in welchen die Politik gegenüber Migranten restriktiver wird, verbessert.

Schädliche Schlupflöcher: Wieso dem deutschen Finanzplatz etwas weniger Offenheit gut bekäme

Wie die Länge des orangen Balkens verdeutlicht, bekommt Deutschland ungenügende Noten für seine Finanzpolitik. Das schlechte Abschneiden (Rang 25, nur Irland und die Schweiz verfügen über eine entwicklungsunfreundlichere Finanzpolitik) erklärt sich primär mit der Ausgestaltung des Finanzplatzes. Wir messen die Finanzpolitik anhand zweier gleichwertiger Ebenen, der Transparenz des Finanzplatzes und der Ausgestaltung der jeweiligen internationalen Investitionspolitik eines Landes. Ersteres reflektiert die Werte des Financial Secrecy Index (FSI) der unabhängigen Organisation «Tax Justice Network». Deren Urteil fällt gemischt aus: Die Ausgestaltung des deutschen Finanzplatzes ermöglicht und vereinfacht illegale Finanztransaktionen. Trotz kürzlich erfolgter Fortschritte im Kampf gegen die Geldwäsche – wie bspw. das Bekenntnis zu internationalen Regelwerken zur Verhinderung derselben – ist der deutsche Finanzplatz nach wie vor zu „offen“ zugänglich für illegitime Gelder und intransparente Finanzprodukte.

Der deutsche Staat könnte andererseits sein großes Potential als nachhaltiger Akteur vermehrt wahrnehmen, indem er seine Investitionsverträge mit ärmeren Staaten gezielt nachhaltiger ausgestaltet. Da kann Deutschland viel von Finnland lernen, welches in der Sparte Finanzen die entwicklungsfreundlichste Politik aufweist. Konkret sollte Deutschland bei der Ausgestaltung der internationalen Investitionsverträge mehr Gewicht auf die nachhaltigen Entwicklungsziele seiner Vertragspartner legen. Da Investitionsabkommen mit ärmeren Ländern meist ein inhärentes Machtungleichgewicht beinhalten, belohnen wir Staaten dafür, wenn sie die öffentlichen Güter dieser Staaten durch diese Verträge fördern. Dies können sie erreichen, indem sie nachhaltige Ziele, bspw. Umweltschutz, Menschenrechte oder Arbeitsstandards, in den Regelwerken verankern. Investitionsverträge mit Entwicklungs- und Schwellenländer sollen also nicht nur die Interessen der westlichen Investoren vor ungerechtfertigten staatlichen Eingriffen schützen.

Finnland zeigt, dass es möglich ist, profitable, lukrative und gleichzeitig nachhaltige Investitionsabkommen abzuschließen, die allen Interessen dienen. Indem Investoren und reiche Staaten die Einhaltung von Arbeits- oder Umweltstandards im Ausland fördern, generiert dies nicht nur einen nachhaltig sozialen und wirtschaftlichen Nutzen im Partnerland. Wenn es armen Staaten durch Investitionen gelingt, auf der globalen Wertschöpfungskette nachhaltig aufzusteigen, eröffnet dies wiederum Zugang zu neuen Konsumenten für unsere Märkte und Abnehmer für hier produzierte Produkte und Dienstleistungen.

Vereint für die SDGs – zum Nutzen aller

Das Beispiel einer fairen und gleichzeitig profitablen Investitionspolitik zeigt, dass eine sorgfältige entwicklungsfreundliche Politikgestaltung uns allen zugutekommen kann. Es zeigt aber auch auf, wo die öffentliche Debatte um nachhaltige Entwicklung Defizite hat. Es geht gerade im aktuellen politischen Klima darum aufzuzeigen, wo der Nutzen für uns in reichen Staaten liegt, wenn alle am globalen Wohlstand teilhaben können. Dabei sollten wir besser darin werden, die Nachhaltigkeit von globaler und fairer Politik aufzuzeigen und zu veranschaulichen, wie die Erreichung der SDGs uns allen hilft. Wir denken, mit dem Commitment to Development Index dafür ein Instrument zur Verfügung zu stellen.

Image: Anita Käppeli

Anita Käppeli ist Policy Analyst am Center for Global Development Europe in London

1 comment

  1. Pingback: Germany’s Commitment to Development: Good Is Not Good Enough for the G20 Chair | Center For Global Development

Leave Comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert