Armut und Ungleichheit: Wie soll die deutsche Entwicklungszusammenarbeit damit umgehen?

Image: Wippe, UngleichheitReduktion von Ungleichheit ist zu einem hochaktuellen Thema der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) geworden, wie die SDGs und andere Prozesse zeigen. Was kann die EZ hier tun? Hierzu 5 Thesen: 1) Reduktion von Armut und Ungleichheit nicht gegeneinander ausspielen, 2) Fokus auf innerstaatlicher (nicht zwischenstaatlicher) Ungleichheit, 3) Geringe Einflussmöglichkeiten der bilateralen EZ, 4) Präferenz für Technische Zusammenarbeit (TZ) und Budgethilfe und 5) Internationale Initiativen.

Im Gegensatz zu den Millennium Development Goals (MDGs) spielt bei den Sustainable Development Goals (SDGs) Ungleichheit eine wichtige Rolle. Zum einen gibt es ein eigenes Ziel 10, das Reduktion von zwischenstaatlicher und innerstaatlicher Ungleichheit zum Ziel hat. Zum anderem geht mit der Querschnittsaufgabe ‚leave no one behind‘ die Aufforderung einher, möglichst gleichmäßige Fortschritte bei den SDGs zu erreichen und vor allem auch benachteiligte Gruppen zu bevorzugen. Und generell hat die Reduktion von Ungleichheit in der internationalen Debatte erheblich an Gewicht gewonnen. Wie soll die EZ auf diesen geänderten Handlungsrahmen reagieren? Und welchen Beitrag kann die deutsche EZ hier leisten? Hierzu möchte ich 5 Thesen vorstellen:

Reduktion von Armut und Ungleichheit nicht gegeneinander ausspielen

Manche sehen im neuen Fokus auf Ungleichheit eine Abkehr vom Augenmerk auf Armutsreduktion in der globalen Entwicklungsdebatte. Da wird allerdings eine nicht haltbare Diskrepanz geschaffen. Wie hinlänglich bekannt, befördert eine Reduktion der Ungleichheit die Armutsreduktion durch mindestens zwei Effekte: Sie reduziert (absolute) direkte Armut, da die Ärmeren mehr Ressourcen haben und sie erhöht den armutsmindernden Effekt von Wirtschaftswachstum. Und umgekehrt befördert erfolgreiche Armutsreduktion die Reduktion der Ungleichheit, vor allem wenn die Einkommen der Armen überdurchschnittlich schnell wachsen. Und ‚leave no one behind‘ kann ja auch als Plädoyer für einen Fokus auf die Ärmsten gelesen werden. Erfolgreiche Entwicklungspolitik muss also beides, Armutsreduktion und Reduktion der Ungleichheit, im Auge behalten, und vor allem auch die Synergien zwischen beiden nutzen.

Fokus auf innerstaatlicher (nicht zwischenstaatlicher) Ungleichheit

SDG 10 besagt, dass (Einkommens-)Ungleichheit zwischen und innerhalb von Ländern reduziert werden soll. Das sind zwei sehr unterschiedliche Baustellen. Ungleichheit zwischen Ländern reduziert sich, wenn ärmere Länder schneller wachsen als reichere. Das hat mit Wachstumspolitik der Länder, aber auch mit dem globalem Umfeld für Wachstum für Entwicklungsländer zu tun. Ungleichheit innerhalb von Ländern hängt mit der Verteilung von Produktionsmitteln wie Bildung und Sachkapital, Renditen auf diese Güter, und staatlicher Umverteilungspolitik zusammen. Das sind durchaus unterschiedliche Politikfelder. Dementsprechend verwirrend sind dann auch die Unterziele und Indikatoren, die sich auf unterschiedliche Aspekte von innerstaatlicher und zwischenstaatlicher Ungleichheit fokussieren. Da das Thema Wachstum und Verbesserung der Wachstumsbedingungen für arme Länder auch in anderen SDGs aufgenommen wurde und sozusagen ein Oberziel aller Entwicklungspolitik ist, wäre mein Plädoyer, dass man sich bei der Ungleichheitsagenda hauptsächlich dem Thema innerstaatliche Ungleichheit widmet. Selbst dann sind die damit verbundenen Handlungsfelder schon sehr groß.

Geringe Einflussmöglichkeiten der bilateralen EZ

Innerstaatliche Ungleichheit ist ein heikles politisches Thema in vielen Ländern und von daher muss man auch relativ vorsichtig agieren. Auch ist klar, dass man mit den bescheidenen Mitteln der bilateralen EZ ein so großes Thema nur am Rande beeinflussen kann: die staatliche Politik der betroffenen Länder ist hier entscheidend, die man ggf. mit TZ und Finanzieller Zusammenarbeit (FZ) gezielt unterstützen kann. Dabei ist wichtig, dass hier ein langer Atem vonnöten ist. Ungleichheit ist tief ökonomisch, politisch und sozial verwurzelt und lässt sich nur sehr langsam mit beständiger Politik beeinflussen. Die Erfahrungen aus Lateinamerika seit Mitte der 90er Jahre zeigen aber, dass solch beständige Politik Wirkung zeigen kann.

Präferenz für TZ und Budgethilfe

Ungleichheit wird wenig durch punktuelle Interventionen beeinflusst. Gefragt sind gesamtstaatliche Strategien, die zunächst Quellen und Ansatzpunkte der Ungleichheit diagnostizieren und dann multisektorale Strategien zur Reduktion von Ungleichheit entwerfen. Da sind Themen wie Landreform, ländliche Infrastruktur, gezielte Investitionen in Bildung und Gesundheit der Ärmsten, armutsorientierte Wachstumspolitiken sowie Aufbau und Verstärkung von sozialen Sicherungssystemen von Interesse. Bei der Diagnostik, Entwicklung und Umsetzung einer solchen Strategie kann die TZ eine wichtige Rolle spielen. Und die FZ kann über die Budgethilfe solche gesamtstaatlichen Strategien nachhaltig fördern.

Internationale Initiativen

Internationale Initiativen, die typischerweise außerhalb der klassischen EZ angesiedelt ist, können eine wichtige Rolle spielen, Partnerländern bei der Reduktion von Ungleichheit zu helfen. Man kann sich vor allem dafür einsetzen, dass Steuer- und Kapitalflucht von reichen Individuen und Steuervermeidung von multinationalen Unternehmen in Entwicklungsländern eingedämmt werden. Hier laufen ja schon vielversprechende Prozesse auf der Ebene der OECD und des IWF. Aber man muss sicherstellen, dass Entwicklungsländer voll einbezogen und Nutznießer dieser Initiativen werden, sowohl bei deren Ausgestaltung als auch deren Umsetzung. Nur so können Entwicklungsländer die notwendigen Ressourcen für eine stärkere Umverteilungspolitik sichern.

Image: Stephan Klasen

Stephan Klasen ist Professor für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Entwicklungsökonomik an der Georg-August-Universität Göttingen. Er ist gleichzeitig Direktor des "Ibero-America Instituts für Wirtschaftsforschung" und des Courant Forschungszentrums "Armut, Ungleichheit, und Wachstum in Entwicklungs- und Transformationsländern".

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