Globale Kooperation: Illusion oder dringliche Notwendigkeit?

Image: Optische Täuschung

Keiner Illusion aufliegen

Das Jahr 2015 war ein zukunftsweisendes: in Paris wurde ein Weltklimavertrag. In New York wurden nachhaltige Entwicklungsziele für alle Länder dieser Erde beschlossen. Der Wille, eine Welt zu schaffen, in der Hunger und Armut abgebaut werden sowie innerhalb der Grenzen unseres Planeten gewirtschaftet und Wohlstand gerechter verteilt wird, war als Gipfelergebnis mehrheitsfähig. Doch wo stehen wir heute? Der neue US-Präsident scheint an internationalen Vereinbarungen kein Interesse zu haben, brüskiert die G7-Staaten und hat den Ausstieg aus dem Klimavertrag verkündet.

Doch es ist festzustellen: Die Agenda 2030 und das Klimaabkommen sind der zentrale und derzeit dringend notwendige Orientierungsrahmen für Entwicklungszusammenarbeit. Es gilt nun, das Erreichte umzusetzen – und sei es von einer Allianz der Vorreiter. Hierfür sind drei zentrale Maßnahmen notwendig: mehr Gelder für Entwicklung und Klima, eine kohärente Politik auf europäischer Ebene und starke Vereinte Nationen.

Finanzierung im Bereich Entwicklung (ODA) und Klima steigern

Globale Umwelt- und Klima-Gerechtigkeit ist abhängig von gerechten Strukturen im Welthandel, der Ressourcen- und Landnutzung, der Energiepolitik sowie einer grundlegenden Veränderung der Landwirtschaft und des Konsums. Doch der Wandel hin zu einer nachhaltigen Entwicklung ist nicht zum Nulltarif zu bekommen. Gesunde Böden, reine Luft und die Vielfalt unserer Arten können wir nur erhalten, wenn auch die finanziellen Zusagen erfüllt werden.

Das Versprechen, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für ODA (Official Development Assistance) im Kampf gegen Armut und Ungleichheit bereitzustellen, hat Deutschland erstmals im Jahr 2016 eingelöst. Nur geschah dies mit massiver Anrechnung von Ausgaben für Geflüchtete in Deutschland. Diese machten im vergangenen Jahr 25 Prozent der gesamten deutschen ODA-Quote aus. Dies führte zur absurden Situation, dass wir in Deutschland selbst mehr ODA-Gelder ausgegeben haben als für die ärmsten Länder der Welt. So notwendig die Finanzierung von Sprachkursen und Unterkunft ist, die Ausgaben sind nicht wirksam in Entwicklungsländern selbst. Der Fokus der ODA muss wieder stärker auf der Unterstützung der ärmsten Länder (LDCs) liegen. Perspektivisch sollte die Hälfte der Mittel an diese Länder gehen.

Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen hat einen Plan vorgelegt, in dem bis 2020 die ODA- Quote und das Klimaversprechen erfüllt werden, ohne Anrechnung von Inlandskosten. Wenn jedes Jahr 1,2 Mrd. Euro für ODA und 800 Mio. Euro für die Klimafinanzierung zusätzlich zur Verfügung gestellt werden, können alle Versprechen im Jahr 2020 eingehalten werden.

Außerdem sollte in der kommenden Wahlperiode überlegt werden, wie die Logik der nachhaltigen Entwicklungsziele (SGDs) im Haushaltsverfahren des Bundes berücksichtigt werden kann. Die SDGs gelten für alle Länder, deshalb sollten auch die Bundesausgaben mit Blick auf die SDGs überprüft werden.

Politikkohärenz auf europäischer Ebene umsetzen

Die Europäische Union (EU) ist einer der größten Geber in der Entwicklungszusammenarbeit. Zugleich ist die EU mit ihrer Handels- und Agrarpolitik einer der größten Bremser für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung in vielen Entwicklungsländern. Was nutzt ein Compact with Africa, wenn die Handelspolitik der europäischen Staaten einseitig am eigenen Interesse ausgerichtet wird? Die Politikkohärenz für Entwicklung fehlt in den relevanten Bereichen Handel, Finanzen und Landwirtschaft. Dieser Widerspruch muss dringend aufgelöst werden.

Gerade wird das Cotonou-Abkommen neu verhandelt und damit der daraus finanzierte Europäische Entwicklungsfonds. Dieser hat ein Volumen von 30,5 Mrd. Euro über sieben Jahre, ein nicht zu vernachlässigender Finanzierungsbeitrag. Bei der derzeitigen Neuverhandlung müsste es in unserem ureigenen Interesse liegen, das Abkommen so zu reformieren, dass es auf den gesamten afrikanischen Kontinent ausgeweitet und klar an der Agenda 2030 ausgerichtet wird. Hier ist eine starke Stimme aus Deutschland notwendig.

Die Vereinten Nationen stärken

Der zentrale Akteur auf globaler Ebene bleiben die Vereinten Nationen (VN). Die VN und ihre Sonderorganisationen sind vor allem im Bereich Krisenprävention und Krisenbewältigung nicht ersetzbar. Das Welternährungsprogramm versorgt die Menschen in den von Hungerkrisen bedrohten Ländern, das Flüchtlingshilfswerk UNHCR registriert Flüchtlinge und koordiniert täglich neu hinzukommende Flüchtlingslager, das Kinderhilfswerk UNICEF kümmert sich um die Belange von Kindern, die besonders unter Krieg, Flucht und Mangelernährung leiden.

Um ihren Aufgaben gerecht zu werden, müssen die Vereinten Nationen finanziell und personell besser ausgestattet werden. Dies wird unter der aktuellen US-Regierung schwieriger denn je. Aber eines ist klar: Nur mit einer hohen Planungssicherheit kann Krisen effizient begegnet werden. Es ist ein Armutszeugnis, wenn Hilfsapelle der VN ungehört bleiben und aufgrund von fehlenden Geldern Nahrungsmittelrationen gekürzt werden. Dieser Trend gehört umgekehrt. Deutschland sollte eine Führungsrolle einnehmen und zu jedem Jahresanfang seine VN-Beiträge für den gesamten aktuellen Bedarf bereitstellen.

Image: Anja Hajduk

Anja Hajduk, MdB, Parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Mitglied im Haushaltsausschuss, Berichterstatterin für das BMZ, BMWI und BMI, Mitglied im Aufsichtsrat der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ).

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